In dem Format “5 Fragen an ConQuMat” berichten Projektmitglieder über ihre Forschung, ihre Ziele und Herausforderungen sowie Chancen für die Zukunft.
Heute: Prof. Dr. Norbert Büttgen von der Universität Augsburg
Woran forschen Sie im Projekt ConQuMat?
In unserem Teilprojekt B4 geht es darum, mit einer ganz speziellen Beobachtungstechnik in die Materie „hineinzuschauen“. Unser Werkzeug ist die sogenannte „Magnetische Resonanz“ von sowohl Kernspins, als auch von Elektronenspins, also Werkzeuge kleiner als Atome selbst – lokalisierter geht es nicht! So, wie in der Medizin mit der MRT (Magnet-Resonanz-Tomographie) ins Innere des menschlichen Körpers hineingeschaut werden kann, so erhalten wir mit dieser physikalischen Methode Informationen über das Innere, die atomare Struktur von Materie und der elektronischen Vorgänge in ihr.
Was hat Sie dazu inspiriert, sich in diesem (spezifischen) Forschungsbereich zu engagieren?
Im Grunde war es meine Diplomarbeit an der Technischen Universität Darmstadt, die mich dazu hat neugierig werden lassen: Es war damals die Zeit, als eine neue Art von Supraleitern entdeckt wurde, die vom damaligen theoretischen Verständnis her gar nicht hätten supraleitend sein dürfen?! Es waren die sogenannten, künstlichen „Heavy-Fermion Supraleiter“, deren Seltene-Erd-Atome starke magnetische Momente tragen, die, so glaubte man damals, Supraleitung eigentlich unmöglich machen müßten. Das Gegenteil aber war der Fall: Die starken magnetischen Momente waren hier sogar notwendig für das Entstehen von Supraleitung. Für konventionelle, natürlich vorkommende Supraleiter ohne Magnetismus gab es eine theoretische Erklärung für das kollektive Verhalten aller Elektronen im Material zu deren Bestätigung ausgerechnet die Untersuchungsmethode „Magnetische Resonanz“ lange vor mir noch dazu ganz entscheidend beigetragen hatte. Und so war für mich klar: Elektronische Korrelationen und Magnetische Kernresonanz als Untersuchungsmethode – das will ich machen!
Was ist das Ziel Ihrer Forschung?
Für mich geht es zunächst um die Antwort auf die Frage „Warum?“ verhält sich die Natur so, wie sie es macht. Dies ist DIE Frage der sogenannten Grundlagenforschung und wird es auch immer bleiben. Dabei kann es sein, dass man zufällig eine neue, unerwartete Entdeckung macht. Zum Beispiel hatte ich für die erwähnten „Heavy-Fermion Supraleiter“ zufällig entdeckt, dass mit der Magnetischen Kernresonanz das Verhalten von sowohl den schweren Fermionen als auch den normalen Fermionen, das sind die Elektronen wie man sie aus der Schule vielleicht kennt, in ein und demselben Material nebeneinander beobachtbar sind. Ein anderer Aspekt unserer Grundlagenforschung ist die Hoffnung, bestehende theoretische Konzepte oder Vorhersagen zu verifizieren oder zu falsifizieren. Wie z.B. verhalten sich exotische magnetische Strukturen wie sogenannte Skyrmionen, wenn sie aus ihrem Gleichgewichtszustand angeregt werden? Welche Ausrichtung seiner magnetischen Momente nimmt ein sogenannter frustrierter Magnet ein, wenn ihm beim absoluten Nullpunkt jede Möglichkeit von frustriert sein eigentlich genommen sein müsste ? Auch die Antwort auf die Frage, woran man ein sogenanntes „Weyl-Fermion“ in der Materie erkennen kann, möchte ich gern beantworten. Der Mathematiker Hermann Weyl hatte 1929 ein neuartiges Teilchen postuliert, das dem Elektron, wie man es aus der Schule kennt, ähnlich sein soll: Es sollte denselben Spin oder Eigendrehimpuls wie das Elektron besitzen und somit ein Fermion sein, jedoch keine Ruhemasse besitzen und sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Mit besonders schweren Fermionen habe ich mich lange Jahre beschäftigt, und da interessiert mich schon, was man darauf aufbauend vielleicht über besonders leichte Fermionen, die sogar überhaupt keine Masse haben sollen, lernen kann. Das besondere an ConQuMat ist, dass bewusst Phänomen untersucht werden, bei denen die Natur uns Beschränkungen, Zwänge aufzeigt. Vielleicht sind diese Einschränkungen mit Vereinfachungen verbunden und die naturgesetzlichen Zusammenhänge leichter zu verstehen. Ich hoffe auf das Wort von Goethe: „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister!“
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen in Ihrer Forschung und wie gehen Sie damit um?
Für einen Experimentator ist die wichtigste Herausforderung, ein Experiment reproduzierbar durchzuführen. Steht für uns ein Ergebnis fest, so muss dieses dann klar dokumentiert werden. Klar in dem Sinne, dass alle Kollegen in der Welt mit diesem Ergebnis arbeiten können und im besten Falle nicht selbst durchführen müssen. Unsere experimentelle Forschungsarbeit muss reproduzierbar sein, aber am besten überhaupt nicht reproduziert werden müssen. Wenn einem dabei nicht alles gleich auf Anhieb gelingt, darf man sich nicht entmutigen lassen.
Wie könnte Ihre Forschung das Verständnis der Physik / der Welt / von Technologien / der Zukunft ändern?
Ein Beispiel: Mit unserer Forschung zu internen Magnetfeldern innerhalb der Materialklasse der sogenannten Multiferroika haben wir z.B. zum Verständnis von den elektronischen Vorgängen in dieser Materialklasse ein „Mosaiksteinchen“ beitragen können. Die ursprüngliche technologische Motivation für Multiferroika war, dass man sie verwenden kann, um Magnetismus mit Hilfe elektrischer Felder zu kontrollieren, um z.B. Festplattenspeicher im Computer, wie man sie als SSD Laufwerke kennt, weiterzuentwickeln. Das ist attraktiv, weil elektrische Felder energieeffizienter sind als die elektrischen Ströme, die früher verwendet werden mussten. Darüber hinaus ist von anderen Wissenschaftlern gezeigt worden, dass Multiferroika für die Spaltung von Meerwasser durch ferroelektrische Ladungstrennung geeignet sind, um Wasserstoff als sauberen Energieträger zu erzeugen; oder in der Medizin für die elektrische Stimulation von Knochenzellen benutzt werden können, die Knochenbrüche schneller heilen lässt. Und in Mosaiken ist bekanntlich jedes Steinchen wichtig.
